Yes, She can …

Gisa Garmer ist zertifizierter Coach und Kompetenzpartner beim Management Institut für den Mittelstand (MIM-Deutschland GmbH). Sie ist erfahrene Personal- und Organisationsentwicklerin. Ihr Schwerpunkt liegt u.a. beim Thema „Frauen und Leadership“.

Gisa GarmerFrage: Frau Garmer, Sie sind bei der MIM-Deutschland GmbH mit dem Schwerpunktthema „Frauen in Führungspositionen“ unterwegs. Warum das? Führen Frauen anders als Männer?

Gisa Garmer: Zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Meinungen. Prof. Uwe P. Kanning von der Hochschule Osnabrück zum Beispiel, leitet anhand von Studienergebnissen zum Führungsverhalten ab, dass nur sehr geringe Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestünden, was Persönlichkeit, Motivation und soziale Kompetenzen angeht.

Die geschlechtsspezifischen, signifikanten Persönlichkeitsunterschiede zwischen Frauen und Männern, die in wissenschaftlichen Studienergebnisse nachgewiesen sind (vgl. Prof. Gertrud Höhler im Jahr 2000), werden von Prof. Kannig durchaus akzeptiert, auch wenn sie den Stereotypen entsprechen, dass Frauen sozial kompetenter sind und Männer durchsetzungskräftiger. Dennoch werden sie als Durchschnittswerte so interpretiert, dass es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gäbe.

Meine Ansicht ist die, dass, auch wenn traditionelle Geschlechterstereotype nie dem Einzelnen gerecht werden, spezifische Persönlichkeitsunterschiede sehr wohl eine Auswirkung auf das Führungsverhalten haben. Diese Auswirkung basiert natürlich ebenso auf dem Gesamtkontext der sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die eine große Rolle in Bezug auf das Nutzen der beruflichen Potenziale beider Geschlechter haben.

Von der Psychologin und Juristin Monika Henn wird eine im Jahr 2007 getätigte Metaanalyse beschrieben, die auf 45 Studien beruht, welche sich mit der Frage des Führungsstils beschäftigt hatten.

Die Analyse ergab, dass weibliche Führungskräfte eher dazu neigten, Mitarbeiter zu unterstützen und zu motivieren, während männliche Führungskräfte eher zu korrigierenden und disziplinarischen Maßnahmen tendieren. Frauen kombinierten häufig ihren kooperativen Führungsstil mit dem Einsatz von Belohnungen und Anreizen; ein Ansatz, der gemäß der Ergebnisse der meisten Studien am besten für das Management moderner Unternehmen geeignet sei.

Dort, wo zu wenige Frauen im selben Umfeld tätig sind, die einen kooperativen Führungsstil anwenden, orientierten sich weibliche Führungskräfte eher am typisch männlichen (häufig autokratischen) Führungsstil und gleichen sich an, wie das oben schon beschrieben wurde. Das bedeutet, dass Unternehmen, die nicht genügend für weiblichen Führungsnachwuchs sorgen, sich die Chancen und Potenziale verbauen, die in gemischten Führungsteams liegen.

Wie Sie sehen, ist es durchaus sehr spannend, sich mit dem Thema „Frauen in Führungspositionen zu beschäftigen: Es geht nicht um ein „besser“ oder „schlechter“, es geht um den optimalen Nutzen aller Potenziale. Es gilt weiterhin, dieses Thema im Gesamtkontext der gesellschaftlichen Entwicklungen zu sehen. Der Ansatz ist nicht eine reine Betrachtung von männer- und frauenspezifischen Themen, sondern vielmehr ein multidimensionaler in Richtung „Diversity“, um die Potenziale auszuschöpfen, die aus einem Zusammenwirken verschiedener Ressourcen entsteht.

Leider gibt es in deutschen Führungsetagen noch zu wenig Bewusstsein für diese Zusammenhänge und wenig geeignete Methoden in der Frauen- und Männerförderung für eine erfolgreiche Weiterentwicklung in den Zeiten der Globalisierung.

Frage: Inwieweit sind diese Erkenntnisse denn schon im deutschen Mittelstand angekommen?

Gisa Garmer: Gerade der Mittelstand ist sehr traditionell und patriarchisch strukturiert. Die Machthaber in jedem System ziehen ähnliche Mitwirkende und Nachfolger an; das liegt in der Natur des Menschen. Dadurch werden wertvolle Chancen verschenkt, den Veränderungen in der Gesellschaft und damit im Markt Rechnung zu tragen und dadurch zukunftsfähig zu bleiben.

Häufig werden die Megatrends nicht genügend berücksichtigt, die die Überalterung der Gesellschaft, den Fachkräftemangel, die Globalisierung, den „Female Shift“ und viele weitere gesellschafts- und wirtschaftsverändernden Entwicklungen voraussagen. Das MIM hat hierzu ja im letzten Jahr eine aussagekräftigte Umfrage im Mittelstand durchgeführt.

Für den Bestand mittelständischer Unternehmen ist es jedoch wichtig, diese Trends ernst zu nehmen und einen entsprechenden Kulturwandel einzuleiten, damit jetzt schon mit entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung begonnen werden kann.

Frage: Wo geht die Entwicklung hin und wie sehen unsere Führungsetagen in 10 Jahren aus?

Gisa Garmer: Überleben werden mittel- und langfristig nur die Unternehmen, die sich ab jetzt regelmäßig mit den sich immer schneller veränderten Lebens- und Arbeitsmodellen auseinandersetzen und dafür immer wieder neue flexible Lösungen finden. Es werden solche Organisationen erfolgreich sein, die bereit sind, ihre Führungsetagen auch mit Personal zu füllen, das bislang keinen oder kaum Zugang hierzu hatte.

Dies werden neben weiblichen Führungskräften auch Manager mit Migrations- bzw. multinationalem Hintergrund sein genauso wie Menschen verschiedener Altersstrukturen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen und Ansichten. Es wird nämlich weniger um männlichen, weiblichen oder sonstigen Führungsstil gehen, sondern um Persönlichkeit und um Werte.

Natürlich wird diese „Diversity“ auch zu vielen Reibungspunkten führen, deren Bewältigung aber auf Dauer die Überlebensfähigkeit und Resilienz in Zeiten zunehmender Veränderung darstellen wird. Deshalb ist Konfliktfähigkeit eine wichtige Kernkompetenz nicht nur der Führungsetagen, sondern auch der Belegschaft allgemein.

Frage: Was könne insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen tun, um in Sachen „Frauen in Führungspositionen“ die Nase vorn zu haben?

Gisa Garmer: Ich kann nur nochmals betonen, dass die Förderung von Frauen in Führungspositionen kein Selbstzweck ist, sondern ein notwendiges Mittel zur Zukunftsfähigkeit des Mittelstands.

Dazu ist es notwendig, die bestehende Unternehmenskultur ernsthaft zu hinterfragen und sie in ihren Werten an die Zukunftsanforderungen anzupassen. Nur wer hier echt dazu bereit ist, seine Ängste vor Machtverlust zu überwinden, wird neue zeitgemäße Strukturen schaffen und damit das Überleben der Organisation sichern.

Dazu gehören beispielsweise offene Personalauswahlverfahren nach transparenten Bewertungsprozessen und Beurteilungskriterien, spezielle Förderprogramme für Frauen mit Mentoring durch erfahrene (weibliche wie männliche) Manager und das Schaffen von guten Netzwerken.

Natürlich ist es unabdingbar, dass sich weibliche (Nachwuchs-)Führungskräfte über ihre Motive und auch über den für eine potentielle Karriere zu zahlenden Preis bewusst sind. In der Regel mangelt es nicht an mangelnder Führungs-, sondern eher an der mangelnden Aufstiegskompetenz, die eben durch die genannten Qualifizierungsprogramme gezielt entwickelt werden soll.

Nicht zu unterschätzen sind mögliche Ängste männlicher Kollegen, die ebenso durch eine entsprechende Männerförderung aufgefangen werden können. Wenn ihnen deutlich wird, dass veränderte Rollenbilder, die Frauen einen Aufstieg in die Führungsetagen ermöglichen können, auch Männern die Chance für alternative und freiere Lebensentwürfe bietet, wäre ein guter Boden für zeitgemäße Entwicklungen geschaffen.

Insgesamt ist es zudem notwendig, das Bewusstsein zu schärfen für die psychologischen Hintergründe von Vorurteilen gegenüber weiblichen Führungskräften und dazu beizutragen, diese Vorurteile abzubauen.

Dies kann nur gelingen, wenn in den Chefetagen der Mittelständler ein wirkliches Umdenken stattfindet, das von einem entsprechend überzeugenden Verhalten begleitet wird und so den Weg in die gesamte Organisation findet. Es lohnt sich!

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